Online-Magazin des Regnum Christi und der Legionäre Christi

Plötzlich Pflegefall

▲ Julia Boße (li.) zusammen mit Frau S. (verstorben am 10. April 2019) in Altötting zur Professfeier der Legionäre Christi.

Vorsorge – alles regeln solange man es noch kann. Es ging alles so schnell und Sie hatten noch keine Gelegenheit, sich auf die neue Situation einzustellen? Ihr Ehepartner, Ihre Eltern oder Großeltern sind durch einen Unfall oder eine Erkrankung zum Pflegefall geworden. Plötzlich ist vieles anders. Eine Vorsorge für die eigene Behandlung und die Versorgung der Familie trifft allerdings nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Wir sprachen mit der zertifizierten Seniorenberaterin Julia Boße, die bei den Legionären Christi dieses Thema bearbeitet.

Frau Boße, Sie haben viel Erfahrung mit der Beratung von Menschen, die für den Fall vorsorgen wollen, dass sie wegen Alter oder Krankheit nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Welche Punkte sind dabei besonders wichtig?

Julia Boße: Zunächst ist es wichtig, dass man sich selbst mit der Frage beschäftigt, was passiert, wenn man nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten alleine zu regeln. Viele Probleme sind dabei vermeidbar, wenn man sich frühzeitig darüber Gedanken macht, wer im Fall der Fälle einem beisteht oder welche Behandlung gewünscht wird und welche nicht. Wichtig ist auch, dass es keine Frage des Alters ist: Unfälle und Schicksalsschläge können in jedem Lebensalter eintreten und mein Leben aus der Bahn werfen.

Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung – was ist das genau und was muss man dabei beachten?

Julia Boße: Eine Vorsorgevollmacht ist ein Dokument, mit dem eine Person einer anderen die Vollmacht erteilt, für ihn zu handeln. Diese Vollmachten können sehr umfangreich oder aber auch auf einzelne Bereiche begrenzt sein. Grundsätzlich genügt z.B. in Deutschland ein Dokument mit Unterschrift – es muss also nicht, wie beim Testament, alles handschriftlich verfasst sein.

Die Betreuungsverfügung ist ein Dokument, mit dem ich meine Wünsche äußere, welche Person vom Betreuungsgericht als Betreuer ernannt werden oder welche Person gerade nicht als Betreuer in Frage kommen soll. Es ist ein recht einfaches und übersichtliches Dokument, das besonders dann interessant ist, wenn ich keine Vorsorgevollmacht habe oder nur für einen einzelnen Bereich eine beschränkte Vorsorgevollmacht vorliegt. In diesen Fällen muss das Gericht ggf. einen Betreuer bestellen.

Die Patientenverfügung ist ein Dokument, mit dem ich für den Fall, dass ich meinen Willen nicht äußern kann, für meine Ärzte verbindlich festlege, in welchen Behandlungssituationen ich welche ärztlichen Maßnahmen wünsche bzw., was in der Praxis wichtiger ist, ich nicht wünsche.

Welche Fehler gilt es zu vermeiden? Welche Missverständnisse sind aus der Welt zu räumen?

Julia Boße: Der erste Fehler besteht bereits darin, sich keine Gedanken um das Thema zu machen. Viele Menschen schieben die Überlegung, was ist, wenn ich nicht mehr kann, weit vor sich her. Der zweite Fehler besteht dann darin, nicht im Voraus mit dem Vorsorgebevollmächtigten zu sprechen. Der große Vorteil einer Vorsorgevollmacht ist ja gerade, dass ich mir die Person aussuchen kann, die sich um meine Angelegenheiten kümmern soll und mit der ich dann noch selbst über meine Wünsche sprechen kann.  Der dritte Fehler ist es, nur eine Vorsorgevollmacht auszustellen, die Absprachen, die ich mit der von mir ausgewählten Person treffe, aber nicht schriftlich festzuhalten. Das ist besonders in den Fällen wichtig, in der die ausgewählte Person nicht mein Alleinerbe wird und sich ggf. gegenüber den Erben oder Miterben rechtfertigen muss, was er zu Lebzeiten mit meinem Vermögen gemacht hat. Ein vierter Fehler ist es, die Bankvollmachten nicht gesondert und in Absprache mit den Banken zu regeln. Die haben besondere Formulare und legen Wert darauf, dass diese benutzt werden. Ein fünfter Fehler ist, die von mir getroffenen Verfügungen nicht von Zeit zu Zeit zu überprüfen und anzupassen. Ein sechster Fehler ist es schließlich, diese Dokumente ohne fachliche Beratung abzuschließen.

Haben Sie anhand von Fällen aus der Praxis auch Beispiele von Gestaltungsfehlern, die bei der Vorsorgevollmacht oder der Patientenverfügung vermieden werden sollten?

Julia Boße: Bei einer Vorsorgevollmacht sollte man vermeiden, dass die Vollmacht erst gilt, wenn der Aussteller seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Bei dieser Einschränkung müssen Sie damit rechnen, dass derjenige, dem die Vollmacht vorgelegt wird, verlangt nachzuweisen, dass dieser Fall eingetreten ist. Bei einem Komapatienten mag das eindeutig sein. In allen anderen Fällen aber sehr schwierig. Diese Regelung ist aber wichtig, gehört allerdings in den Vertrag, den ich als Aussteller der Vollmacht mit der von mir ausgewählten Person schließe.

Eine Patientenverfügung, die sich darin erschöpft zu bestimmen „Ich möchte würdig sterben“, „Ich möchte nicht an Maschinen hängen“, aber auch „Ich möchte keine lebenserhaltenden Maßnahmen“, ist zu pauschal. Der Bundesgerichtshof hat deswegen solche Verfügungen verworfen. Diese Urteile haben bis ins letzte Jahr hinein viel Aufsehen erregt und einige Menschen verunsichert, obwohl sie nur klargestellt haben, was in guten Patientenverfügungen bereits seit jeher gilt: Die Äußerung, welche Behandlung ich gerade nicht wünsche, muss auf eine konkrete Behandlungssituation zugeschnitten sein.

In der Regel werden mit den Vorsorgeregelungen auch die Testaments- und Erbschaftsangelegenheiten geregelt…

Julia Boße: Da muss ich unterbrechen. Es stimmt zwar, dass gerade ältere Menschen Vorsorge- und Testamentsangelegenheiten oft parallel regeln, aber beides ist strikt zu trennen. Die Vorsorgeunterlagen, und dazu würde ich hier auch die Regelungen darüber, wie meine Beerdigung aussehen soll, zählen, sollten zu Lebzeiten jederzeit griffbereit vorliegen. Das Testament regelt, wer nach meinem Tod meine materiellen Güter erhalten soll. Dieses wird in einem förmlichen Verfahren eröffnet. Das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.

Was bieten Sie als Hilfestellung an?

Julia Boße: Vielen Menschen ist es wichtig, dass da einer ist, von dem sie wissen, dass er sich kümmert. Das reicht von einem Gespräch bis zur Organisation der Beerdigung und anderen Hilfestellungen. Dort, wo wir als (Mit-)Erbe eingesetzt sind, bin ich aber auch diejenige, die sich um die Umsetzung des Testamentes kümmert und etwa mit den vom Erblasser eingesetzten Testamentsvollstrecker zusammenarbeitet.

Was ist die Motivation für Ihre Arbeit in einem Satz zusammengefasst?

Julia Boße: Ich möchte nicht nur das Andenken unserer Wohltäter nach deren Tod bewahren, sondern den Menschen, die unsere Arbeit und den katholischen Glauben so großzügig unterstützen, bereits zu Lebzeiten unsere Dankbarkeit zeigen und etwas zurückgeben.

Wir bedanken uns für das Gespräch.