Online-Magazin des Regnum Christi und der Legionäre Christi

Eine Zeit der Entscheidung

▲ Pestkreuz im St.-Paulus-Dom in Münster. Papst Franziskus küsste die Füße Jesu am Pestkreuz in Rom vor dem Petersdom und betete um das Ende der Corona-Pandemie am 27. März 2020 im Vatikan.

Einmalig in der KirchengeschichteDie Geschichte der Kirche ist faszinierend: Atemberaubende Aufbrüche und erschreckender Zerfall, jede Epoche hat ihre eigenen Herausforderungen und inspirierende Heilige. In den vergangenen 2.000 Jahren gab es schon alles an Skandalen, Krisen und Erneuerungen. Doch erstmalig konnte dieses Jahr aufgrund des Corona-Virus die Kar- und Osterliturgie von einer überwältigenden Mehrheit der Gläubigen nur virtuell gefeiert werden, die staatlichen Bestimmungen und Weisungen der Bischöfe legten das gewohnte Glaubensleben lahm. Vollkommen unerwartet und innerhalb kürzester Zeit veränderte sich das Leben der meisten Menschen grundlegend, und scheinbar selbstverständliche Sicherheiten wurden erschüttert: Monatelang kein Schulbesuch, Homeoffice, Absage aller Veranstaltungen, eine bislang nicht erlebte massive und dauerhafte Einschränkung von Grundrechten, Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz, Erfahrungen von Quarantäne, Einsamkeit und Isolation. Und gleichzeitig unerwartete Ruhe, mehr Zeit für die Familie, Gebet und Reflexion, neue pastorale Initiativen, virtuelle Treffen und Angebote, die ökumenische Aktion „Deutschland betet gemeinsam“.

Ohrenbetäubende StilleAm 27. März blickte die ganze Welt nach Rom. Der Heilige Vater hatte angesichts der dramatischen Entwicklung einen Sondersegen „Urbi et Orbi“ angekündigt, der per Livestream übertragen wurde. Der menschenleere Petersplatz, die abendliche Dämmerung, der einsetzende Regen, das ferne Leuchten des polizeilichen Blaulichts und der leicht humpelnde Papst unterstrichen die Einzigartigkeit der Situation: Der Sturm legt unsere Verwundbarkeit bloß und deckt jene falschen und unnötigen Gewissheiten auf, auf die wir bei unseren Plänen, Projekten, Gewohnheiten und Prioritäten gebaut haben. Er macht sichtbar, wie wir die Dinge vernachlässigt und aufgegeben haben, die unser Leben und unsere Gemeinschaft nähren, erhalten und stark machen.“

Was wirklich trägtIn dieser eindrucksvollen Zeremonie zeigte Papst Franziskus einer erschütterten und verängstigten Welt, was in den Momenten der Krise die Christen wirklich trägt: Die Gemeinschaft der Kirche unter der Leitung des Nachfolgers Petri, die Botschaft des Evangeliums, das Geheimnis des Kreuzes, die Fürsprache der Gottesmutter, das vertrauensvolle Gebet, die Nähe des Herrn in der Eucharistie: Der Anfang des Glaubens ist das Wissen, dass wir erlösungsbedürftig sind. Wir sind nicht unabhängig, allein gehen wir unter. Wir brauchen den Herrn so wie die alten Seefahrer die Sterne. Laden wir Jesus in die Boote unseres Lebens ein. Übergeben wir ihm unsere Ängste, damit er sie überwinde. Wie die Jünger werden wir erleben, dass wir mit ihm an Bord keinen Schiffbruch erleiden. Denn das ist Gottes Stärke: alles, was uns widerfährt, zum Guten zu wenden, auch die schlechten Dinge. Er bringt Ruhe in unsere Stürme, denn mit Gott geht das Leben nie zugrunde.“

Eine Botschaft GottesWenn die Bestimmungen nun schrittweise wieder gelockert werden, kann dann alles wieder so weitergehen wie vorher? Sitzen wir schon in den Startlöchern, um dann genau so weiterzumachen wie bisher? Enthält diese Zeit eine Botschaft Gottes? Lohnt es sich, nicht nur passiv abzuwarten, sondern aktiv eine Antwort zu suchen? „Du rufst uns auf, diese Zeit der Prüfung als eine Zeit der Entscheidung zu nutzen. Es ist nicht die Zeit deines Urteils, sondern unseres Urteils: die Zeit zu entscheiden, was wirklich zählt und was vergänglich ist, die Zeit, das Notwendige von dem zu unterscheiden, was nicht notwendig ist. Es ist die Zeit, den Kurs des Lebens wieder neu auf dich, Herr, und auf die Mitmenschen auszurichten.“

Pater Martin Baranowski LC

(Foto: Stephanuschor mit Pestkreuz im St.-Paulus-Dom in Münster, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, flickr, creative commons, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed; das Originalbild wurde in Größe und Farbgebung bearbeitet)