Online-Magazin des Regnum Christi und der Legionäre Christi

Seelenhygiene

„Das macht was mit einem… und das macht was mit der Seele“, schreibt Felix Honekamp über die Corona-Pandemie und ihre Folgen für das tägliche Leben und geht der Frage nach: Wird eigentlich wirklich alles gut?

Die Corona-Krise ist noch immer allgegenwärtig und wir haben alle gelernt, wie man gesund bleibt: 20 Sekunden lang Händewaschen; nicht ins Gesicht fassen; Maske auf in öffentlichen Räumen, vor allem auch beim Einkaufen; körperliche Nähe meiden. Mit den Wochen wird das zum Selbstläufer: Trifft man einen Bekannten oder Freund auf der Straße, dem man bislang die Hand gegeben oder den man vielleicht sogar in den Arm genommen hätte, belässt man es heute bei einem freundlichen Winken mit Maske und mit der Ungewissheit, ob ich den anderen wirklich richtig erkannt habe und ob er wohl unter dem Mundschutz lächelt? Drastischer als Hygieneregeln ist der eigentliche Lockdown. Über Wochen sollten wir keine Verwandten besuchen, vor allem keine älteren. Restaurants geschlossen, viele Geschäfte nur noch zu Rumpfzeiten geöffnet und mit Sicherheitsvorkehrungen wie vorgezeichneten Laufwegen versehen. Die Konsequenzen meist drastisch: Kurzarbeit, von jetzt auf gleich der Umzug ins „Homeoffice“ – da fällt der abgesagte Urlaub kaum noch ins Gewicht. Und vor allem: über viele Wochen keine hl. Messen, kein Empfang der Eucharistie, Beichten nur unter Auflagen. Die Welt hat sich geändert – und wir ändern uns mit ihr.

Die Krise macht was mit einem …

Nehmen wir die Kinder: Sie sprechen schon mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit von der „Corona-Zeit“ oder von Erlebnissen, die „noch vor der Corona-Zeit“ stattgefunden haben. Für Kinder sind Monate unter dem Eindruck der Pandemie, in denen sie nicht zur Schule gehen können, stattdessen an der Hand der Eltern den gleichen Stoff lernen müssen, ihre Freunde nicht treffen können, nicht ins Schwimmbad oder auf Spielplätze gehen können, und in denen sie ganz nebenbei in die sorgenvollen Gesichter ihrer Eltern schauen und selbst Masken tragen müssen, offenbar vergleichbar mit einem Jahrzehnt für einen 50-Jährigen. Es ist eine Epoche, die dort gerade stattfindet, und wie sich das auf den Gemütszustand, nicht nur aber besonders, der Kinder auswirkt, kann noch keiner abschätzen.

Und was ist mit den Erwachsenen? Über Wochen bestanden gefühlte 90 Prozent aller Nachrichten in Presse, Radio und TV aus Corona-News, -Zahlen und -Entwicklungen. Egal wo und wann: alle Gespräche begannen oder endeten damit. Wer gestern noch gern wie der Bundestrainer der Fußballnationalmannschaft sprach, klang heute wie der Chef-Virologe. Aus dem Weg zur Arbeit wurde oft der kurze Weg ins „Homeoffice“, das nicht selten erst improvisiert zwischen Küche und Kinderzimmer seinen Platz im familiären Alltag finden musste. Waren es früher häufig die Klagen über zu wenig Zeit für die Familie, fiel einem plötzlich zu Hause die Decke auf den Kopf. Hart traf es jene, deren Betriebe schließen mussten oder zur Kurzarbeit zwangen. Und noch immer weiß niemand, welche wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen folgen werden.

… und das macht was mit der Seele.

Alles Themen, von großer Politik über die Sorge um die Familie bis zum alltäglichen Einkauf und den Gedanken, die man sich um den nach den Sommerferien anstehenden Klassen- oder Schulwechsel der Kinder macht, die sich ständig im Hinterkopf bewegen und für die man, so sehr man sich auch bemüht, keine einfachen Lösungen zu finden in der Lage ist. Das macht was mit einem – und das macht was mit der Seele. Selbst wenn man von der Krankheit persönlich nicht betroffen ist, stellt die Situation das Grundvertrauen in Frage. Wird eigentlich wirklich alles gut? Oder wird es noch schlimmer (zurück-)kommen, nicht nur medizinisch, sondern vor allem gesellschaftlich? In welche Welt werden wir unsere Kinder mal entlassen? Müssen wir uns abschminken, was sich Generationen von Eltern zumindest vorgenommen haben: Dass es den Kindern bessergehen soll, als einem selbst?

Und auf genau diesen Zweifeln – manchmal sehr präsent, manchmal unbemerkt im Unterbewusstsein – baut der Widersacher auf! Kannst du wirklich für deine Kinder sorgen? Kannst du deine Familie wirklich sicher durch diese Zeiten führen? Glaubst du wirklich, dass wieder gute Zeiten kommen werden? Bist du sicher, dass Gott sich um dich, die deinen und alle Menschen kümmert? Und glaubst du wirklich, dass Gott bei all diesen alltäglichen Sorgen an deiner Seite steht? – „Hat Gott wirklich gesagt …?“ (vgl. Genesis 3,1).

Gerade jetzt!

Umso wichtiger ist es, gerade jetzt die Nähe zu Jesus Christus zu suchen, sich nicht nur die Hände zu waschen und eine Schutzmaske zu tragen, sondern auch Seelenhygiene zu betreiben. Das tägliche Gebet gehört in Zeiten wie diesen ausgebaut, gerade dann, wenn der Tagesablauf durcheinandergeworfen ist und man Gebetszeiten schnell mal „schlabbert“. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, sein Leben ganz in Jesu Hände zu legen, nicht auf weltliche Entlastung oder Belohnung zu schielen, sondern den Blick fest auf Jesus gerichtet zu haben.

Persönlich bin ich in der glücklichen Lage – und dafür bin ich sehr dankbar –, derzeit nicht um meinen Arbeitsplatz fürchten zu müssen, im Gegenteil im Moment mehr Arbeit zu haben, als normal. Und trotzdem fordert die Zeit im „Homeoffice“ auch meine Seele heraus. Den Blick auf den Bildschirm gerichtet, Telefon- und Videokonferenzen als einziger Blick nach draußen, schnell mal zu den Kindern zum Mittagessen und abends müde ins Bett fallen? Da muss ein Ausgleich her: Mit Gebet, wo möglich dem Besuch der hl. Messe, dem Sakramenten-Empfang, dem Gespräch mit der Familie und Freunden, auch mit dem Durchschnaufen auf der Terrasse oder dem Spaziergang am Abend.

Ich bin da kein gutes Vorbild, weil ich selbst auch immer wieder Pausen verpasse. Aber das „Durcharbeiten“ macht mich nicht effizienter, und vor allem macht es mich nicht zu einem besseren Menschen. Im Gegenteil: Die Reduktion auf Arbeiten und die Beschäftigung mit der Krise wecken Zweifel an Mitmenschen, verführen zur andauernden Kritik an allem und jedem, schüren Zweifel auch an Gott und behindern mein eigentliches Menschsein wie Gott es sich für mich vorgestellt hat. Jesus will, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Johannes 10,10) – eine Gesichtsmaske reduziert nicht diese Fülle. Sorge, Trauer, Zweifel, Wut, Angst reduzieren die Fülle des Lebens. Und gerade in Zeiten wie diesen können und müssen wir all das auf Christus werfen, der für uns da ist: „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch“ (vgl. 1. Petrus 5,7).

Die Krise verschwindet damit nicht, der Virus geht dadurch nicht weg – das ist ein anderes Gebet, das wir beten müssen – aber meine Beziehung mit Jesus kann ich auch und vor allem unter widrigen Bedingungen pflegen. Und das auf eine Weise, dass es nicht nur ein Gebet in der Not ist, sondern ein echtes Gespräch, ein Austausch mit ihm über das Leben. Was man dafür braucht ist Zeit. Aber wenn wir am Tag die Zeit finden, mehrere Minuten die Hände zu waschen, dann werden wir sicher auch die Zeit finden, neben unseren normalen Gebeten, kurze Pausen mit Gott einzurichten (und diese, ganz praktisch, im Kalender einzuplanen).

Diese Seelenhygiene scheint mir noch wichtiger als das vorsorgliche Desinfizieren der Hände, denn diese Hygiene bereitet uns schon jetzt für das ewige Leben.

Zur Person

Felix Honekamp, 49 Jahre, verheiratet, zwei Kinder (7 und 9), ausgebildeter Bankkaufmann und
Diplombetriebswirt;
angestellter Unternehmensberater für Versicherungen und andere Finanzdienstleister; seit 2011 freier Publizist und katholischer Blogger.